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Der Fremde

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Persönliche Bewertung:
3,9/5 (43)

Eignung für Lesekreise:
3,4/5 (9)


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Der Fremde

«Ich begriff, dass ich das Gleichgewicht des Tages, das ungewöhnliche Schweigen des Strandes zerstört hatte, an dem ich glücklich gewesen war. Dann schoss ich noch viermal auf einen leblosen Körper, in den die Kugeln eindrangen, ohne dass man es sah. Und es waren gleichsam vier kurze Schläge an das Tor des Unheils.»

Die Geschichte eines jungen Franzosen in Algerien, den ein lächerlicher Zufall zum Mörder macht, wurde 1942 im besetzten Frankreich zu einer literarischen Sensation. Der Roman bedeutete den schriftstellerischen Durchbruch für Albert Camus und gilt heute als einer der Haupttexte des Existentialismus.

Leseprobe aus ‚Der Fremde‘ von Albert Camus

Über Albert Camus

Ausführliche Informationen zum Leben und Werk von Albert Camus finden Sie auf unserer Camus-Autorenseite. » zur Albert Camus – Autorenseite

Über das Buch

‚Der Fremde‘ ist Albert Camus erster Roman, den er 1943 mit 29 Jahren veröffentlichte.

Die Geschichte eines jungen Franzosen in Algerien, den ein lächerlicher Zufall zum Mörder macht, wurde 1942 im besetzten Frankreich zu einer literarischen Sensation. Der Roman bedeutete den schriftstellerischen Durchbruch für Albert Camus und gilt heute als einer der Haupttexte des Existenzialismus.

Geschrieben ist das Buch aus Sicht der Hauptperson Meursault, einem durchschnittlichen jungen Algerienfranzosen. Dieser erschießt einen jungen Araber, von dem er sich ‚irgendwie’ bedroht fühlt, will für sein Vergehen aber einstehen und wird so zum Sündenbock, an dem die Justiz erst zögernd, dann jedoch mit voller Härte ein Exempel statuiert.

Aufbau des Buches

Der Roman besteht aus zwei etwa gleich lange Teilen. Der erste Teil (6 Kapitel) berichtet von einer ‚Begebenheit’, der zweite Teil (5 Kapitel) von deren Folgen und ihrer Beurteilung durch die auftretenden Personen. Insgesamt beträgt die Zeit der Erzählung rund ein Jahr, wobei der erste Teil wenige Tage umfasst und aus einzelnen Episoden, ohne erkennbaren Zusammenhang, besteht. Der zweite Teil dauert rund 11 Monate und beinhaltet den Gefängnisaufenthalt, die Gerichtsverhandlung mit der Verurteilung, die Auseinandersetzung mit dem Gefängnisgeistlichen und das Warten auf die Hinrichtung. Erst während des Gerichtsverfahrens werden die einzelnen Episoden in einen Zusammenhang gestellt, allerdings nicht von Meursault, sondern von den Juristen, die eine logische Gesetzmäßigkeit in Meursaults Handeln zu erkennen glauben.

Charaktere (und deren Bedeutung und Rolle für den Roman)

Meursault

Meursault ist losgelöst von der Welt um ihn herum. Ereignisse und Themen, die für andere Menschen wichtig sind, berühren ihn nicht, scheinen ihn nicht zu interessieren, zumindest nicht auf einer emotionalen Ebene. Dazu gehören die Liebe Maries und ihr Wunsch ihn zu heiraten, der Tod seiner Mutter, der Tod eines anderen Menschen, ein berufliches Angebot seines Chefs, etc.

Meursault ist vollkommen ehrlich, bis hin zur Naivität. Indem er seine Gleichgültigkeit offen zeigt, fordert er indirekt die von der Gesellschaft akzeptierten moralischen Standards heraus, die beispielsweise Trauer über den Tod nahestehender Menschen erwarten lassen. Im späteren Gerichtsverfahren beschädigt seine Reaktion auf den Tod der Mutter sein Ansehen fast mehr als der von ihm verursachte Tod des Arabers.

Meursault ist weder moralisch noch gewissenlos. Er bewegt sich außerhalb der von der Gesellschaft festgesetzten moralischen Grundsätze und Werte. Er scheint zwischen Gut und Böse keinen Unterschied zu machen.

Während er zunächst seine Gleichgültigkeit auf sich und seine eigenen Handlungen bezieht, weitet sich diese Perspektive aus, nachdem er zum Tode verurteilt wird: Nach seinem Treffen mit dem Geistlichen öffnet er sich der „zärtlichen Gleichgültigkeit der Welt“, in der jeder gleich ist und keiner eine Bedeutung hat. Angesicht seines nahen Todes beginnt er nachzudenken und wird sich bewusst, dass er glücklich war und ist. Er findet seinen Frieden.

Raymond Sintes (sein Nachbar)

Raymond fungiert als Auslöser der Handlung. Indem er Meursault über das Verfassen des Briefes in den Konflikt mit den Arabern hineinzieht und ihn mit ans Meer nimmt, verursacht er den Niedergang von Meursaults Leben. Raymonds Verantwortung dafür wird auch dadurch gezeigt, dass er Meursault die Waffe aushändigt, mit der dieser später den Araber erschießen wird. Raymond ist die Kontrastfigur zu Meursault; wo dieser gleichgültig und passiv ist, ist er aktiv und gewalttätig. Während er ihn anfangs für sich benutzt, verteidigt er ihn bei seiner Zeugenaussage, nennt die Geschehnisse ‚Zufall’ und bezeichnet Meursault als seinen Freund.

Marie Cardona (seine Freundin)

Einen Teil von der Attraktivität von Meursault für Marie macht dessen Eigenheit aus. Er ist nicht wie die anderen Männer, die sie kennt. Obwohl sie enttäuscht ist über seine Gleichgültigkeit bezüglich einer Heirat mit ihr, denkt sie nicht über eine Beendigung des Verhältnisses nach. Vielleicht ist aber auch die Freiheit, die sie in dieser Beziehung hat, anziehend für sie.

Madame Meursault (seine Mutter)

Mit dem Tod seiner Mutter beginnt der Roman. Drei Jahre zuvor hatte Meursault seine Mutter in ein Senioren-/Pflegeheim gebracht, weil er weder die Zeit noch die finanziellen Mittel für die notwendige Pflege seiner Mutter aufbringen konnte. Trotz der äußerlichen Gleichgültigkeit glaubt er, dass sich beide ähnlich sind, beispielsweise in der Liebe zur Natur und der Fähigkeit sich an neue Situationen anzupassen. Kurz vor seinem Tod denkt er an seine Mutter und fühlt die Nähe zu ihr: „Dem Tod so nahe, hatte Mama sich dort befreit gefühlt und bereit, alles noch einmal zu leben. Niemand, niemand hatte das Recht, sie zu beweinen. … Als ich spürte wie ähnlich sie mir war, … habe ich gefühlt, dass ich glücklich gewesen war und dass ich es noch war.“

Der Araber (das Opfer)

Der Araber, der Bruder von Raymonds Geliebten, wird von Meursault scheinbar ohne Motiv getötet. Er bleibt gesichts- und namenlos. Seine mysteriöse Person lässt Meursaults Tat umso unsinniger, seltsam und schwer zu verstehen erscheinen.

Existenzialismus

Der Text ist eines der Hauptwerke der Philosophie des Existentialismus.

Mit Existentialismus wird im allgemeinen Sinne die französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie bezeichnet. Ihre Hauptvertreter sind: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Albert Camus und Gabriel Marcel.

Des Weiteren ist der Begriff des „Existentialismus“ im Gebrauch als Bezeichnung für eine allgemeine Geisteshaltung, die den Menschen als Existenz im Sinne der Existenzphilosophie auffasst. („Der Mensch ist seine Existenz.“)

In Begriffen wie Geworfenheit, Selbstentwurf, Freiheit und Selbstbestimmung zeigt sich die Zentrierung des Existentialismus auf das Problem der Befreiung des Menschen zu seinen eigenen Möglichkeiten hin. (Quelle: Wikipedia)

Themen, universelle Ideen im Roman

Die Irrationalität des Universums

‚Der Fremde’ ist eine fiktive Erzählung, beinhaltet jedoch viele Gedanken von Camus philosophischen Ansicht von Absurdität / Sinnlosigkeit.

Meursault zeigt keine erkennbaren Gründe für seine Handlungen wie beispielsweise seine Entscheidung Marie zu heiraten oder den Araber zu töten. Die Gesellschaft versucht dennoch in Form der Anwälte im Gerichtssaal in seine Handlungen eine Begründung hinein zu interpretieren. Denn die Idee, dass Handlungen ohne Grund passieren und das Ereignisse keine Bedeutung haben, bedroht die rationale Ordnung von Gesellschaften. Das Gerichtsverfahren ist daher ein Beispiel von Sinnlosigkeit – der erfolglose Versuch der Menschheit, Rationalität einer irrationalen Welt aufzuzwingen.

Die Bedeutungslosigkeit des menschlichen Lebens

Camus Philosophie beinhaltet den Gedanken, dass das menschliche Leben keine Bedeutung hat. Das einzig Sichere im Leben ist das Sterben, der Tod. Alle Menschen werden sterben, daher sind alle Leben gleich bedeutungslos. Dies wird Meursault zum Ende des Romans bewusst – er realisiert, so wie er bedeutungslos für das Universum ist, ist die universelle Welt bedeutungslos für ihn. Wie alle Menschen ist er geboren, wird sterben und für die Welt keine langfristige Bedeutung haben. Der Tod ist unabdingbar und es ist egal, ob er jung oder alt stirbt. Erst als er dies begreift, ist ihm bewusst, dass er glücklich ist – und bis dahin auch glücklich war. Seine letzten Tage kann er nun ohne falsche Hoffnungen auf eine mögliche Gnade leben.

Physische Welt versus soziale und emotionale Aspekte

Meursault scheint viel stärker an den physischen Aspekten seiner Umgebung/Welt interessiert zu sein, als an den sozialen oder emotionalen. Meursaults Gedanken fokussieren sich auf seinen eigenen Körper, seine (physische) Beziehung zu Marie und dem Wetter. So ist ihm die Hitze während der Beerdigung seiner Mutter viel unangenehmer als die Beerdigung selbst. Die Sonne am Strand peinigt ihn so, dass er sie im Gerichtsverfahren als den Grund für die Ermordung des Arabers benennt. Natur und seine Umgebung beschreibt er lebendig und detailliert; soziale oder emotionale Gedanken und Gefühle in einfachen Sätzen und wie von außen betrachtet.

Motive

Wiederkehrende Strukturen oder literarische Stilmittel, die helfen können, die Hauptthemen eines Textes zu entwickeln und zu gestalten.

Tod und Verfall

Im Text finden sich mehrere Hinweise auf den Tod und den Verfall.

Meursaults Nachbar Salamano liebt seinen alten, häßlichen‚verfallenen’ Hund, obwohl in andere abstoßend finden.

Meursault zeigt wenige Emotionen beim Tod seiner Mutter, obwohl dies die Gesellschaft von ihm erwartet.

Beim Erschiessen des Arabers zeigt er keine Emotionen; für ihn ist das Gleichgewicht des Tages zerstört, nicht das Leben eines Menschen.

Auch ist für ihn der Tod das Ende, während der Gefängnisgeistliche an ein Leben nach dem Tod glaubt.

Symbole

Gerichtssaal: Der Gerichtssaal symbolisiert die Gesellschaft als Ganzes. Die Jury und das Gericht argumentieren und entscheiden auf Basis der moralischen Werte und Grundsätze, die sich die Gesellschaft für ihr Zusammenleben gegeben hat. Die Personen, die im ersten Teil des Buches erscheinen, treten auch im Gerichtssaal als Zeugen auf – egal wie klein oder unbedeutend ihr Beitrag gewesen war. Der Versuch der Juristen eine logische Erklärung für die Tat Meursaults zu finden symbolisiert den Versuch der Menschen rationale Erklärungen für eine irrationale Welt zu finden.

Sichtweise, Sprache und Stil

Meursault erzählt die Ereignisse aus seiner Sicht (in der ersten Person). Er limitiert die Beschreibung auf seine eigenen Gedanken und Eindrücke. Die Beschreibung anderer Personen ist subjektiv und auf seine Sicht beschränkt; er versucht nicht deren Gefühle und Intentionen zu interpretieren.

Die Sprache besticht durch ihre Einfachheit, Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit. Meursault fühlt keine Schuld,;die Tat, das Gerichtsverfahren, selbst sein ganzes Leben nimmt er aus einer Distanz wahr, wie ein desinteressierter Zuschauer.

Camus gelingt es auf nur 150 Seiten viele philosophische Gedanken in einen Roman zu integrieren.

Dieser Sprache, so nüchtern und gleichmütig sie auch ist, kann man sich als Leser kaum entziehen. Kein Wunder, das dieser kleine Roman die Menschen im Kriegsjahr 1942/43 bei seinem Erscheinen berührt hat. In dieser menschenverachtenden Zeit konnte nur Mitgefühl einem Menschenleben Sinn schenken.

Der Fremde in Film und Musik

Der Fremde wurde im Jahre 1967 von Luchino Visconti verfilmt. Die Hauptrolle spielte Marcello Mastroianni. Auch der amerikanische Film ‚State of Mind‘ aus dem Jahr 2003 basiert auf dem Roman, ebenso der Film ‚Fate’ von Zeki Demirkubuz (2001).

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Der Protagonist Meursault spielt eine Rolle in T.C. Boyles Roman World’s End, in dem sich eine der Hauptpersonen stets auf ihn bezieht und sich mit ihm vergleicht.

Die britische Band ‚The Cure’ verarbeitete die Handlung von ‚Der Fremde’ in ihrem Lied ‚Killing an Arab’:

Standing on the beach
With a gun in my hand
Staring at the sea
Staring at the sand
Staring down the barrel
At the arab on the ground
I can see his open mouth
But I hear no sound

I’m alive
I’m dead
I’m the stranger
Killing an arab

I can turn
And walk away
Or I can fire the gun
Staring at the sky
Staring at the sun
Whichever I chose
It amounts to the same
Absolutely nothing

I’m alive
I’m dead
I’m the stranger
Killing an arab

I feel the steel butt jump
Smooth in my hand
Staring at the sea
Staring at the sand
Staring at myself
Reflected in the eyes
Of the dead man on the beach
The dead man on the beach

I’m alive
I’m dead
I’m the stranger
Killing an arab

‚Der Fremde’ in Camus Roman ‚Die Pest’

In seinem 1947 veröffentlichten zweiten Roman Die Pest findet sich folgende Anspielung auf den fünf Jahre älteren Roman Der Fremde:

 „Grand war sogar Zeuge einer seltsamen Szene im Tabakladen geworden. Inmitten einer lebhaften Unterhaltung sprach die Ladenbesitzerin von einer Verhaftung aus jüngster Zeit, die in Algier für Aufsehen gesorgt hatte. Es handelte sich um einen jungen Handelsangestellten, der einen Araber am Strand getötet hatte. „Wenn man dieses ganze Gesindel ins Gefängnis stecken würde,“ hatte die Händlerin gesagt, „könnten die anständigen Leute aufatmen.“ Aber angesichts der plötzlichen Aufregung Cottards, der ohne ein Wort der Entschuldigung aus dem Laden stürzte, konnte sie nicht zu Ende reden.“

Weiterführende Informationen

Tipp für Literaturkreise: Lesen Sie ‚Der Fremde‘ zusammen mit ‚Der Fall Meursault – Eine Gegendarstellung‘ von Kamel Daoud.

Ein Roman aus Algerien, der um die Welt geht: in Frankreich ein Riesenbestseller, in den USA und England als literarische Sensation gefeiert, jetzt in deutscher Übersetzung. Die Geschichte des namenlosen Arabers aus Camus’ weltberühmtem Roman »Der Fremde« – erzählt von dessen Bruder.

Kamel Daoud, Jahrgang 1970, im algerischen Mostaganem geboren, ist Journalist beim Quotidien d‘Oran, für den er eine der meistgelesenen politischen Kolumnen in Algerien schreibt. Daoud erhielt für das Buch 2015 den renommierten Prix Goncourt für einen Debütroman.

Dieser Roman gibt dem namenlosen Toten aus »Der Fremde« von Camus ein Gesicht.

Ausführliche Informationen zum Buch und Autor: www.mein-literaturkreis.de/blog/buch/kamel-daoud-der-fall-meursault-eine-gegendarstellung/

Diskussionsfragen

  • Wie geht Meursault (im ersten Kapitel) mit dem Tod seiner Mutter um? Was sagt dies über seine Beziehung zu ihr aus?
  • Was erfahren wir über Madame Meursault? Was über Meursault?
  • Was sagt die Reaktion Meursaults Anfang des Kapitels I und II über das Verhältnis zu seinem Vorgesetzten aus? Warum benutzt er die Ausdrücke „Es ist nicht meine Schuld…“.  und „Man ist sowieso immer ein bisschen schuldig.“? Was meint Meursault damit?
  • Wird die Schwere einer Tat immer in Beziehung zum Täter gesehen? Hätte Ihrer Meinung nach das Urteil anders gelautet, wenn Meursault ein aufmerksamer Sohn gewesen wäre?
  • Ist Meursault indifferent, träge oder einfach nur ehrlich? Besteht ein Unterschied? Diskutieren Sie diese Frage anhand folgender Themen: Liebe („Kurz darauf hat sie mich gefragt, ob ich sie liebte. Ich habe geantwortet, dass das nicht hieße, dass es mir aber nicht so schiene.“, Kapitel IV), Beziehung zur Mutter, berufliche Veränderung – Versetzung nach Paris (Kapitel V), Heirat („Abends hat Marie mich abgeholt und hat mich gefragt, ob ich sie heiraten wollte. Ich habe gesagt, das wäre mir egal, und wir könnten es tun, wenn sie es wollte.“, Kapitel V), als Zeuge aussagen („Er hat gesagt, ich müsste mich ihm als Zeuge zur Verfügung stellen. Mir war das egal, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.“, Kapitel IV), Menschen töten (Kapitel VI), Anwalt („Dann wollte er wissen, ob ich mir einen Anwalt ausgesucht hätte. Ich habe zugegeben, dass ich es nicht getan hätte, und habe ihn ausgefragt, ob es unbedingt nötig wäre, einen zu haben.“)
  • Was lässt Meursault seinen Nachbarn Raymond helfen (Brief schreiben, sich als Zeuge zur Verfügung stellen, sich für ihn prügeln, seine Pistole nehmen und für ihn schiessen)? Ist es seine Vorstellung von Freundschaft oder der Wunsch danach, Hilfsbereitschaft, die Feigheit, Nein zu sagen), Indifferenz („Er hat gesagt, ich müsste mich ihm als Zeuge zur Verfügung stellen. Mir war das egal, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.“ Kapitel IV) oder weil er glaubt, es werde von ihm erwartet?
  • Ende des Kapitels IV denkt Meursault an seine Mutter, weiß aber nicht warum. Können Sie nachvollziehen, was der Auslöser gewesen sein kann?
  • Was ist Meursaults Einstellung zum Leben?
    • Was gefällt ihm am Leben, dass er es nicht ändern möchte? „Da hat er mich gefragt, ob mich eine Änderung in meinem Leben mich nicht reizen würde. Ich habe geantwortet, dass man sein Leben nie änderte, dass eins so gut wie das andere wäre und dass mein Leben hier mir keineswegs missfiele. … ich sah keinen Grund, mein Leben zu ändern. Wenn ich recht darüber nachdachte, war ich nicht unglücklich.“ (Kapitel V)
    • „Alle vernünftigen Menschen hätten mehr oder weniger den Tod derer gewünscht, die sie liebten.“ sagt Meursault im Gespräch mit seinem Anwalt. Was sagt diese Aussage über Meursaults Einstellung zum Leben und anderen Menschen aus? (Kapitel I, 2. Teil)
  • Was hat Meursault veranlasst, den Araber zu erschießen? War es Ihrer Meinung nach Mord, Notwehr oder Totschlag?
  • Statt Reue empfinde er ‚Verdruss’, teilt Meursault dem Untersuchungsrichter mit. Mit dem Gefängnisgeistlichen spricht er über Sünde: „Ich habe gesagt, ich wüsste nicht, was eine Sünde ist. Man hätte mir nur beigebracht, dass ich schuldig wäre. Ich wäre schuldig, ich bezahlte dafür, mehr könnte man nicht von mir verlangen.“ (Kapitel V, 2. Teil) Können Sie Meursault verstehen und seine Empfindungen nachvollziehen?
  • Im Gefängnis ist Meursault zunächst in einer Gemeinschaftszelle mit Arabern untergebracht. Auf deren Frage nach dem Grund seiner Verhaftung, sagt er ihnen, dass er einen Araber getötet habe. Warum begibt er sich so in Gefahr? Warum hat er die Herkunft des Opfers angegeben?
  • Warum versucht Meursault nicht, sich beim Gespräch mit seinem Anwalt oder mit dem Untersuchungsrichter in ein ‚besseres Licht’ zu setzen? Ist ihm nicht bewusst, was dies für das Urteil und sein Leben bedeuten kann? Oder ist es ihm egal? Nimmt er seinen möglichen Tod bewusst in Kauf? (Kapitel II, 2. Teil)
  • „Da ist mir klar geworden, dass ein Mensch, der nur einen einzigen Tag gelebt hat, mühelos hundert Jahre in einem Gefängnis leben könnte. Er hätte genug Erinnerungen, um sich nicht zu langweilen.“ (Kapitel II, 2. Teil) Sind Sie Meursaults Meinung? Ist jeder Tag dazu geeignet? Oder bräuchte man mehr Zeit?
  • „Er hat erklärt, ich hätte nichts mit einer Gesellschaft gemein, deren grundlegende Regeln ich nicht anerkennen wollte, und ich könnte nicht an das menschliche Herz appellieren, dessen elementarste Regungen mir unbekannt wären.“ argumentiert der Staatsanwalt im Prozess. (Kapitel IV, 2. Teil) Teilen Sie seine Meinung?
  • Auszüge aus dem letzten Kapitel: „Aber jeder weiß, dass das Leben nicht lebenswert ist. Im Grunde wusste ich wohl, dass es wenig ausmacht, ob man mit dreißig oder mit siebzig stirbt. … Wenn man stirbt, ist es egal, wie und wann, das war klar.“ (Kapitel V, 2. Teil) „Es gab noch zwei Dinge, über die ich die ganze Zeit nachdachte: das Morgengrauen und mein Gnadengesuch.“ „…und ich hatte wieder vierundzwanzig Stunden gewonnen.“ (Kapitel V, 2. Teil) Wie passen diese Gedanken zusammen?
  • Wie würden Sie den Schreibstil Camus beschreiben? Passt er zum Charakter seines Protagonisten? Kennen Sie weitere Werke von Albert Camus? Ist der Schreibstil dort gleich oder unterschiedlich?
  • Diskutieren Sie den Titel des Buches ‚Der Fremde’. Warum hat ihn Camus gewählt?
  • Der Roman gilt als einer der Haupttexte des Existenzialismus. Recherchieren Sie zum Thema Existenzialismus. (Vielleicht kann ein Mitglied Ihres Lesekreises eine kleine Präsentation dazu vorbereiten.) Welche Themen und Gedanken des Existenzialismus finden Sie im Roman wieder?
  1. Warum fünf Schüsse auf den Algerier aber nur vier Schläge an das Tor des Unheils? Antwort auf „Klassikerforum.de“ unter >Albert Camus: Der Fremde< und litteratur.ch

    20. November 2016 | 13:16 | Hermeneutiker
    • weil er nach dem ersten schuss kurz wartet – der araber ist bereits tot – und trotzdem vier weitere Schusse abgibt. super buch!

      26. November 2017 | 13:27 | anonym
  2. Das Plaedoyer des Staatsanwaltes fußt auf das Verhalten der Hauptperson bezüglich des Todes seiner Mutter – als psychologisch Interessierter und seit über 40 Jahren mit Menschen in existentiellen Grenzsituationen beruflich konfrontiert, kann M.s Verhalten durchaus auch als Verdrängungsmechanismus gesehen werden – die Gefühlskälte kann man nicht leugnen -, diese jedoch nur bezugnehmend auf eine Situation (Tod der Mutter ) steht jedoch auf sehr angreif- barem Fundament.

    21. März 2019 | 16:28 | W. Möth
  3. Meursault ist ein typischer Psychopath.
    Leute mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung verhalten sich genau so. Wer die Störung kennt, muss an seinem Verhalten gar nichts mehr herumphilosophieren.
    Unbegreiflich, dass dieser Aspekt noch nirgends aufgegriffen wurde.

    24. April 2022 | 13:39 | didum

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