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Roman eines Schicksallosen

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Persönliche Bewertung:
3,8/5 (29)

Eignung für Lesekreise:
2/5 (1)


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Roman eines Schicksallosen

Imre Kertész ist etwas Skandalöses gelungen: die Entmystifizierung von Auschwitz. Es gibt kein literarisches Werk, das in dieser Konsequenz, ohne zu werten, der Perspektive eines staunenden Kindes treu geblieben ist. Wohl nie zuvor hat ein Autor seine Figur Schritt für Schritt bis an jene Grenze hinab geleitet, wo das nackte Leben zur hemmungslosen, glücksüchtigen, obszönen Angelegenheit wird. Klappentext (hinten)

Was macht diesen Roman über Auschwitz und Buchenwald so anstößig? Ist es der unschuldige und optimistische Ton des jüdischen Jungen, der seine Deportation als Aufbruch ins Unbekannte und die Ankunft in Auschwitz als groteskes Spektakel erzählt? Liegt die Blasphemie darin, dass er so bereitwillig die Logik der Lager erprobt – ein gelehriger Schüler, der seine Sache möglichst gut machen will? Oder sind es die schockierenden Antworten auf die Fragen eines wohlmeinenden Journalisten, den er auf der Straße in Budapest trifft, kaum dass er aus Buchenwald zurückgekehrt ist? (Klappentext innen)

Pressestimmen
„Ein literarisches Meisterwerk.“ (Der Spiegel)

Leseprobe
Leseprobe des 1. Kapitels: www.rowohlt.de/fm/131/Kert_sz_Roman.pdf
Kertész liest (in Deutsch) einen Ausschnitt aus seinem Roman vor. (Länge 3 Minuten): www.nobelprize.org/mediaplayer/index.php?id=873

Über das Buch
Der Roman wurde zwischen 1960 und 1973 geschrieben und erstmals 1975 veröffentlicht. Es handelt sich um eine Geschichte mit vielen biographischen Verbindungen über die Erlebnisse und Gedanken eines 15-jährigen ungarischen Juden in den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald.
Kertész sagte, dass das Buch keine Autobiografie ist, sondern er die Form eines autobiografischen Romans gewählt hat. Das Buch wurde anfangs nicht zur Veröffentlichung angenommen. Nach seiner Veröffentlichung in 1975 wurde es in Ungarn mit ‚kompletter Stille’ aufgenommen. Kertész hat in seinem Buch ‚Fiasco’ über diese Erfahrung geschrieben. Dieses Buch wird als zweites Werk einer Trilogie angesehen, die dann mit ‚Kadisch für ein ungeborenes Kind’ endet. In letzterem Roman erscheint wieder György Köves, der Protagonist von ‚Roman eines Schicksallosen’. Sein Kadisch, ein jüdisches Gebet für die Toten, sagt er für das Kind, das er nicht in eine Welt setzten wollte, die die Existenz von Auschwitz erlaubte.

Imre Kertész über das Buch
„Wenn ich meine damalige Situation ganz ehrlich ermesse, weiß ich nicht, ob ich im Westen, in einer freien Gesellschaft, fähig gewesen wäre, den Roman zu schreiben, den die Welt heute unter dem Titel „Roman eines Schicksallosen“ kennt und dem die höchste Anerkennung der Schwedischen Akademie zuteil wird.

Nein, ganz sicher hätte sich mein Bemühen auf etwas anderes gerichtet. Ich behaupte nicht, daß es nicht auch die Wahrheit gewesen wäre, doch vielleicht eine andere Art Wahrheit. Auf dem freien Markt der Bücher und Gedanken hätte vielleicht auch ich mir den Kopf über eine etwas spektakulärere Romanform zerbrochen: Zum Beispiel hätte ich die erzählte Zeit zerstückeln können, um nur die wirkungsvollen Szenen darzustellen. Nur daß mein Romanheld in den Konzentrationslagern nicht seine eigene Zeit lebt, weil er weder im Besitz seiner Zeit, noch seiner Sprache, noch seiner Persönlichkeit ist. Er legt nicht Erinnerungen vor, er existiert. So mußte der Arme also in den obskuren Schlingen der Linearität schmachten und konnte sich nicht von den qualvollen Einzelheiten befreien. Statt einer ansehnlichen Reihe großer tragischer Momente mußte er das Ganze durchleben, das bedrückend ist und wenig Abwechslung bietet, so wie das Leben.“[1]

Über Imre Kertész
Imre Kertész wurde am 9. November 1929 in Budapest geboren. Er stammt aus einer kleinbürgerlichen Familie. Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde Kertész im Mai 1944 als Vierzehnjähriger über Auschwitz ins Konzentrationslager Buchenwald und später in ein Außenlager bei Zeitz verschleppt. Nach seiner Befreiung am 11. April 1945 kehrte er nach Budapest zurück. Diese einjährige, ihn bis heute prägende, Zeit verarbeitete er zuerst in dem 1973 fertig gestellten ‚Roman eines Schicksallosen‘.

Nach seinem Abitur 1948 arbeitete Kertész als Journalist bei der Tageszeitung Világosság, die er jedoch 1951 wieder aufgeben musste, da diese zum Parteiorgan der Kommunisten erklärt wurde. Nach seinem zweijährigen Militärdienst (1951–1953) begann er als freier Schriftsteller und Übersetzer zu arbeiten. Seine Arbeit und Freiheiten als Schriftsteller wurden in seiner Heimat besonders nach dem Aufstand von 1956 durch die kommunistische Diktatur eingeschränkt. Die meisten seiner Bücher sind autobiographisch inspiriert.

Imre Kertész ist in zweiter Ehe verheiratet, lebte von 2000 in Berlin und ab 2012 wieder in Ungarn. Kertész starb 2016.

Themen
Krieg(serfahrungen), Holocaust, Erwachsenwerden unter schwierigen Bedingungen, Religion

Hintergrundinformationen zum Buch
Ungarn wurde am 19. März 1944 von deutschen Truppen besetzt. Am 23. März 1944 wurde eine neue Regierung unter Ministerpräsident Döme Sztójay gebildet. Innerhalb kürzester Zeit wurden die jüdischen Ungarn mit 107 Gesetzen vollständig entrechtet. Am 16. April 1944 begann die Ghettoisierung, ab Ende April unter der Leitung von Adolf Eichmann die massenhaften Deportationen der Juden nach Auschwitz. Die Gefangensetzung in Ghettos und Lagern wurde von der ungarischen Gendarmerie durchgeführt.

Ab Mitte Mai kamen täglich mehr als 10.000 Menschen hauptsächlich in das KZ Auschwitz. Die meisten wurden sofort in die Gaskammern getrieben, rund 150.000 arbeitsfähige jüdische Männer kamen in Arbeitskommandos, wo das Prinzip „Vernichtung durch Arbeit“ galt. Nachdem international die Einstellung der Deportationen gefordert wurde (u.a. durch den schwedischen König, den Vatikan, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und ungarische protestantische Bischöfe), wurde der Abtransport der letzten ca. 200.000 Budapester Juden zum Monatsanfang Juli 1944 von Horthy unterbunden und am 9. Juli vorläufig eingestellt. Von den 825.000 ungarischen Juden kamen im Holocaust etwa 565.000 ums Leben.

In den KZs wurden die Insassen durch farbige Aufnäher unterschieden. Diese waren meist in Form eines umgedrehten Dreiecks, häufig mit einem Buchstaben, der die Nationalität des Gefangenen bezeichnete. Die der Juden waren entweder gelbe Sterne oder zwei Dreiecke, die übereinander gelegt einen Stern ergaben. Der Farbcode der Aufnäher war wie folgt: Gelb: Juden, Braun: Roma (Zigeuner), Lila: Zeugen Jehovahs, Grün: Gewohnheitsverbrecher, Rot: Politische Gefangene, Pink: Homosexuelle, Schwarz: Asoziale (Nonkonformisten, Nichtsesshafte, Prostituierte, u.a.).

Die Camps von Auschwitz-Birkenau befanden sich in Oswiecim, Polen, ca. 220 Kilometer von Budapest. Buchenwald bestand aus vielen Nebencamps in der Nähe von Weimar; Zeitz war eines dieser Nebencamps.

Kertész benutzt in seinem Roman Bezeichnungen für zwei unterschiedliche Gruppen von jüdischen Gefangenen: Muselmänner und Finnen. Die „Muselmänner“ waren Juden, die Georg beschrieb als „uralte Greise, und mit ihren eingezogenen Köpfen, den hervorstehenden Nasen, den von den hochgezogenen Schultern herunterbaumelnden schmutzigen Sträflingsanzügen erinnern sie auch an den heißesten Sommertagen an ewig fröstelnde Krähen im Winter.“ Die „Finnen“ waren religiöse Juden, die man oft sah „wie sie, sich im Takt hin- und herwiegend, unablässig ihre Gebete murmeln wie eine nie abzuzahlende Schuld.

Verfilmung
Fateless – Roman eines Schicksallosen, Ungarn 2006

Darsteller: Marcell Nagy (György), János Bán (Darsteller), Regie: Lajos Koltai, Filmmusik: Ennio Morricone, Laufzeit: 134 Minuten

Kertész hatte sich lange Zeit geweigert, einer Verfilmung seines Bestsellers „Roman eines Schicksallosen“ zuzustimmen. Als Kameramann Lajos Koltai sich das Holocaust-Drama für sein Regiedebüt aussuchte, änderte Kertész seine Meinung und schrieb sogar das Drehbuch.

Diskussionsfragen

  • Onkel Lajos und Onkel Vili repräsentieren zwei gegensätzliche Reaktionen der Juden auf den Holocaust und vielleicht auch auf das Leben im Allgemeinen. Wie würden Sie sie charakterisieren. Welche ist György näher?
  • Wie war Györgys Beziehung zu seiner jüdischen Religion? Hat er sie praktiziert?
  • Wie war das Leben der Ungarn in Budapest während des Krieges? Wie hat es sich von dem der Juden in der ungarischen Hauptstadt unterschieden?
  • Wie verhielten sich die Nachbarn und andere Personen wie Herr Süto, der Metzger und die Gendarmen gegenüber György und seiner Familie?
  • Diskutieren Sie wie György die Deutschen Offiziere und Soldaten in den KZs beschreibt (nachfolgend einige Zitate aus dem Buch).
    • „Auch über die Deutschen sind mir sogleich verschiedene Meinungen zu Ohren gekommen. So bekannten sich zahlreiche, und zwar vor allem ältere Leute, die schon über Erfahrungen verfügten, zu der Ansicht, die Deutschen seien, was immer ihre Auffassung von den Juden sein möge, im Grunde genommen – wie das im übrigen jedermann wisse – saubere, anständige Menschen, die Ordnung, Pünktlichkeit und Arbeit liebten und es auch bei anderen zu ehren wüssten, wenn sie bei ihnen die gleichen Eigenschaften feststellten… „
    • „Er hat auch noch eigens die ‚Manieren’ es Offiziers erwähnt: im Gegensatz zur ‚Ungeschlachtheit’ der Gendarmen beschrieb er ihn als ‚nüchtern, gemäßigt und in jeder Hinsicht einwandfrei’.“
    • „Doch ich bemerkte, dass hier draußen jetzt schon deutsche Soldaten in grüner Mütze, mit grünem Kragen und beredten, richtungsweisenden Armbewegungen auf alles ein Auge hatten: ich war durch ihren Anblick sogar ein bißchen erleichtert, denn sie wirkten schmuck, gepflegt und als einzige in diesem ganzen Durcheinander ruhig und fest.Auf den letzten Seiten des 5. Kapitels erinnert sich György and das Gedicht vom Erlkönig. Es handelt sich um ein Gedicht von Goethe, der in Weimar, in der Nähe des KZ Buchenwald, viele Jahre gewohnt und gearbeitet hat. .„Wer reitet so spät durch Nacht und Wind“ ist der erste Satz des Gedichtes, das beschreibt wie ein Kind von einem Dämonen gepeinigt wird, der es mit leeren Versprechungen versucht in Versuchung zu führen und es letztendlich in den Armen seines Vaters liegend tötet. Hat Ihrer Meinung nach Kertész das Gedicht bewusst ausgewählt? Wenn ja, warum?
  • Kertész benutzt eine Reihe von Sprachen und Übersetzungen, um eine Art ‘Turm von Babel’ zu porträtieren, wenn er über die internationalen Gefangenen im KZ Buchenwald und dessen Krankenhaus schreibt. Wie wird die Atmosphäre der Geschichte durch diese Vielsprachigkeit beeinflusst?
  • Nach seiner Rückkehr nach Budapest wird György über die ‚Hölle der Lager“ befragt. Wie reagiert er auf diese Bezeichnung. Warum kann oder möchte er die Gräuel im Lager nicht beschreiben? Was versteht György unter ‚Hölle“?
  • Das Buch ist angefüllt mit subtiler Ironie. Diskutieren Sie die folgenden Passagen, in denen Kertész seine Sicht auf die KZs und den Holocaust darlegt:
    • „Später – so wurde erklärt, … würden alle ihr Eigentum selbstverständlich zurückerhalten, zuvor aber erwarte die Sachen eine Desinfizierung, uns selbst aber ein Bad: das war in der Tat an der Zeit, wie ich fand.“
    • „So hatte ich dann bis zum dritten Tag schon eingehend Bekanntschaft mit dem ärgerlichen Gefühl des Hungers gemacht…“
    • „Die Garderobevorschriften sind im Übrigen genau die gleichen wie in Auschwitz. Nur dass hier das Wasser wärmer ist, die Friseure ihre Arbeit umsichtiger verrichten und sich der Kleiderverwalter die Mühe nimmt, und sei es auch nur mit einem flüchtigen Blick, von dir Maß zu nehmen.“
    • „… ich kann sagen, auch ich habe Buchenwald bald liebgewonnen.“
  • In seiner Rede anlässlich der Verleihung des Nobelpreises sagte Kertész: „Wenn ich meine damalige Situation ganz ehrlich ermesse, weiß ich nicht, ob ich im Westen, in einer freien Gesellschaft, fähig gewesen wäre, den Roman zu schreiben, …“ Wie hat wohl sein Leben unter der Dominanz totalitärer kommunistischer Regierungen den Stil seines Romans beeinflusst?
  • Kertész sagt in den letzten Sätzen seines Buches „Denn sogar dort, bei den Schornsteinen, gab es in der Pause zwischen den Qualen etwas, das dem Glück ähnlich war. Alle fragen mich immer nur nach Übeln, den „Gräueln“: obgleich für mich vielleicht gerade diese Erfahrung die denkwürdigste ist. Ja, davon, vom Glück der Konzentrationslager, müsste ich ihnen erzählen, …“ Soll diese Bemerkung ironisch wirken? Wenn ja, tut sie das? Wenn nein, was meint Kertész mit dem Ende des Buches?
  • Wie realitätsnah und glaubwürdig hat Kertész die Charaktere in seinem Buch dargestellt?
  • Haben Ihrer Meinung nach Kinder oder Jugendliche die Kriegszeit anders erlebt als die Erwachsenen?
  • Mit welchen Adjektiven würden Sie den Roman beschreiben?
  • Wie bewerten Sie das Ende des Buches?

Weitere Bücher von Imre Kertész (Auswahl)
Die englische Flagge (2002)
Der Spurensucher (2002)
Fiasko (2001)
Eine Gedankenlänge Stille, während das Erschießungskommando neu lädt (1999)
Kaddisch für ein nicht geborenes Kind (1999)
Ich, ein anderer. Rowohlt (1999)
Galeerentagebuch. Rowohlt (1999)

Kertész über das Schreiben und den Nobelpreis für Literatur
„Vorerst ist mir selbst nicht vollkommen klar, welcher Art die Aporie ist, die ich zwischen dieser hohen Auszeichnung und meinem Werk beziehungsweise meinem Leben empfinde. Vielleicht habe ich allzu lange in der Diktatur gelebt, in einer mir feindlichen, hoffnungslos fremden geistigen Umgebung, als daß ich mir ein gewisses Selbstbewußtsein als Schriftsteller hätte aneignen können: Es war müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Überdies gab man mir von allen Seiten zu verstehen, daß das, worüber ich schreibe, das sogenannte „Thema“, das mich beschäftigt, unzeitgemäß und nicht attraktiv sei. Deshalb, und da es mit meiner eigenen Überzeugung zusammenfiel, habe ich also das Schreiben immer als meine strikte Privatangelegenheit aufgefasst.“[2]

Kertész über Auschwitz
„Das Problem Auschwitz besteht nicht darin, ob wir sozusagen einen Schlußstrich darunter ziehen oder nicht; ob wir es im Gedächtnis bewahren sollten oder in der entsprechenden Schublade der Geschichte versenken; ob wir für die Millionen von Ermordeten Mahnmale errichten und wie sie beschaffen sein sollten. Das wirkliche Problem Auschwitz besteht darin, daß es geschehen ist und daß wir an dieser Tatsache mit dem besten, aber auch mit dem schlechtesten Willen nichts ändern können.“[3]

Kertész über sein moralisches Erbe
„Ich habe mich – und vielleicht ist das keine schiere Selbsttäuschung – bemüht, die existentielle Arbeit zu verrichten, die mir das Überleben von Auschwitz gewissermaßen als Pflicht auferlegt hat. Ich weiß, was für ein Privileg mir zuteil geworden ist. Ich habe das wahre Antlitz dieses schrecklichen Jahrhunderts gesehen, habe ins Auge des Gorgonenhauptes geblickt und konnte lebend weitergehen. Doch ich wußte, daß ich mich von diesem Anblick niemals befreien werde, ich wußte, daß dieses Antlitz mich für immer gefangenhält.“ … Und wenn Sie jetzt fragen, was mich heute noch hier auf Erden hält, was mich am Leben hält, antworte ich, ohne zu zögern: die Liebe.[4]

Auszeichnungen, u.a. der Nobelpreis für Literatur
Kertész wurde mit unzähligen internationalen und ungarischen Preisen und Ehrentiteln ausgezeichnet.

Der wichtigste ist sicherlich der Literaturnobelpreis, den er 2002 erhielt mit der Begründung: „für ein schriftstellerisches Werk, das die zerbrechliche Erfahrung des Einzelnen gegenüber der barbarischen Willkür der Geschichte behauptet.“ Damit ist er der erste und bislang einzige ungarischsprachiger Autor, der mit diesem Preis ausgezeichnet wurde.

Weitere wichtige Preise und Ehrungen: Großer Preis von Budapest, Ungarn (1997), Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern (2004), Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin (2005), Preis für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung der Deutschen Gesellschaft e.V. (2006), Verleihung des Titels „Kulturgesandter Ungarns“ vom ungarischen Kulturminister (2007)

Seit 2003 ist er Mitglied der Akademie der Künste, Berlin, Sektion Literatur. 2010 hat die Friedrich-Schiller-Universität Jena das Imre Kertész Kolleg ‚Europas Osten im 20. Jahrhundert. Historische Erfahrungen im Vergleich’ eingerichtet.

Interviews mit dem Autor
www.nobelprize.org/mediaplayer/index.php?id=529: Interview von Horace Engdah, Mitglied der Schwedischen Akademie, mit Imre Kertész (auf Deutsch) am 12. Dezember 2002, wenige Tage nach der Verleihung des Literaturnobelpreises. Kertész spricht über seine Familie, seinen Bildungsweg und wie er zum Schreiben kam.

Weitere Romane zum Thema
Elie Wiesel: Die Nacht: Erinnerung und Zeugnis, 4. Auflage 2008
Primo Levi: Die Atempause, u.a.

Weiterführende Internetseiten
Zu Imre Kertész:
Insbesondere die Seiten der schwedischen Nobelpreisorganisation sind ein unerschöpflicher Fundus für diesen Autor. Sie beinhalten mehrere Reden, Interviews, Photos, Pressemitteilungen, etc.

Von der Hauptseite www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2002/# kommen Sie auf alle Dokumente. Hier einige der interessantesten:

www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2002/kertesz-lecture.html: Video (Länge 33 Minuten) der Rede von Kertész bei der Vergabe des Literaturnobelpreises an ihn, 7. Dezember 2002

www.nobelprize.org/mediaplayer/index.php?id=873 Kertész liest (in Deutsch) einen Ausschnitt aus seinem Roman vor. (Länge 3 Minuten)

www.nobelprize.org/mediaplayer/index.php?id=529 : Interview von Horace Engdah, Mitglied der Schwedischen Akademie, mit Imre Kertész (in Deutsch) am 12. Dezember 2002, Interview (in German) with the 2002 Nobel Laureate in Literature, Imre Kertész, wenige Tage nach der Verleihung des Literaturnobelpreises. Kertész spricht über seine Familie, seinen Bildungsweg und wie er zum Schreiben kam.

Judenverfolgung, Holocaust, Auschwitz, Judentum heute
Yad Vashem (Jerusalem, Israel) ist die bedeutendste Gedenkstätte, die an die nationalsozialistische Judenvernichtung erinnert und sie wissenschaftlich dokumentiert. www.yadvashem.org

1994 entstand auf Spielbergs Initiative die Survivors of the Shoah Visual History Foundation – eine gemeinnützige Organisation, die Aussagen von Überlebenden der Judenverfolgung für Bildungszwecke archiviert: www.dornsife.usc.edu/vhi/

Die Schüler des Lessing-Gymnasiums in Döbeln haben eine Internetseite zu jüdischen Geschichte und Kultur mit vielen Informationen zu Autoren und Büchern sowie einer Linkliste zum Judentum erstellt. www.judentum-projekt.de

Quellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Imre_Kert%C3%A9sz
http://de.wikipedia.org/wiki/Ungarn_im_Zweiten_Weltkrieg#Die_Vernichtung_der_ungarischen_Juden
www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2002/kertesz-lecture-g.html ; Text und Übersetzung der von Kertész gehaltenen Rede zur Vergabe des Literaturnobelpreises an ihn am 7.12.2002
www.nobelprize.org/nobel_prizes/literature/laureates/2002/kertesz-speech-g.html Text und Übersetzung der von Kertész gehaltenen Rede auf dem Bankett am 10.12.2002

Eigene Meinung
Imre Kertész stellt in diesem Buch sein eigenes Schicksal dar. Als Vierzehnjähriger in ein Nazi-Konzentrationslager verschleppt, entkommt er nur knapp dem Tode. Er beschreibt seine Erfahrungen in der Ichform, mit den Augen eines gerade pubertierenden Jugendlichen.

Das Besondere an diesem Buch ist das Fehlen jedes Pathos. Die Naivität mit der er bis ins Detail seinen Tagesablauf schildert, ist brutaler als jede pathetische Darstellung dieser Zeit.

Niemals in dem ganzen Werk gibt es auch nur einen Funken Selbstmitleid oder Schuldzuweisungen. Gerade diese Darstellung jedoch lässt den Leser alles intensiver erleben. Dieses Werk rüttelt nochmals auf. Es fordert zu einer ganz neuen Auseinandersetzung mit der Thematik.

Das Fehlen von Selbstmitleid, Anklagen und Verurteilungen ist eine enorme Leistung, die diesen Roman zu einem beeindruckenden literarischen Werk macht. Für dieses Werk wurde Kertész völlig zu Recht der Literaturnobelpreis verliehen.

Verfasserin: Kerstin Hämke


[1] Aus der Rede von Kertész gehalten am 7.12.2002 bei der Vergabe des Literaturnobelpreises in Stockholm

[2] ebenda

[3] ebenda

[4] Aus der Banquet-Rede von Kertész am 10. Dezember 2002 anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises

 

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