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5 Fragen an Charlotte Roth zu ‚Rosa und Leo: Die große Liebe der Rosa Luxemburg‘

Ausführliche Informationen zum historischen Roman ‚Rosa und Leo: Die große Liebe der Rosa Luxemburg‘ von Charlotte Roth, inklusive Diskussionsfragen finden sich hier.

Sie haben dem Buch ein Zitat von Rosa Luxemburg vorangestellt: „Man kann die Menschen nur richtig verstehen, wenn man sie liebt.“
Warum haben Sie gerade diesen Satz gewählt und was sagt er über Ihre Protagonistin aus?

Das Zitat erschien mir perfekt, weil es die Persönlichkeit und Haltung Rosa Luxemburgs im Gegensatz zu der von Leo Jogiches erfasst: Aus ihrer Sicht war ihre Liebe zu ihm, ihre Liebe zu ihren Freunden, ihrer Familie, zu Tieren und Pflanzen Teil ihrer Liebe zum Leben an sich, die für sie den Antrieb zu ihrer unermüdlichen Arbeit für eine bessere Welt darstellte. Ihre Menschenliebe verlieh ihr Kraft. Für Leo Jogiches hingegen stellte alles Private ein Hindernis dar, das Kraft von der politischen Arbeit abzog. Dass diese beiden in vielem so ähnlich denkenden Menschen in diesem entscheidenden Punkt auf so unversöhnlich gegensätzlichen Positionen standen, macht für mich einen der tragischsten Aspekte von Rosa Luxemburgs Leben aus.

Rosa Luxemburg ist vielen Menschen ein Begriff, aber wenige, insbesondere im Westen Deutschlands, kennen neben ihren umfassenden politischen Aktivitäten auch private Aspekte ihres Lebens.
Warum sollte man sich heute mit ihr beschäftigen? Was fasziniert Sie persönlich an ihr? Wie kamen Sie auf die Idee, einen Roman über sie zu schreiben?

Als junge, in West-Berlin geborene, Sozialdemokratin war Rosa Luxemburg für mich sehr präsent. Ich habe ihre Texte gelesen, an den Gedenkmärschen zu ihrem Todestag teilgenommen, und meine Wege mit Kindern, Hunden und/oder Laufschuhen führten mich regelmäßig an dem Ort im Tiergarten vorbei, an dem ihre Leiche in den Kanal geworfen wurde. Ihre Liebesgeschichte interessiert mich, weil es mich grundsätzlich interessiert, wie Menschen, die ein derart allumfassendes öffentliches Leben führen, im Privaten damit zurechtkommen. Ob man sich mit ihr befassen will, soll um Gottes willen jeder für sich entscheiden. Für mich ist ihre Geschichte eine von unzähligen interessanten Geschichten – und Geschichten brauchen wir, um uns selbst und unsere Gesellschaft zu begreifen.

Zentral in Ihrem biografischen Roman ist die Liebe zwischen Rosa Luxemburg und Leo Jogiches. Wie wichtig war die Beziehung für die politische Entwicklung von Rosa? Hätte sie, Ihrer Meinung nach, ihren politischen Weg auch ohne ihn gemacht?

Das ist schwierig zu beurteilen. Menschen beeinflussen uns, verändern uns und bestimmen die Wege, die wir gehen, mit. In ihren politischen Ansichten und Zielsetzungen war Rosa Luxemburg jedoch bereits als junge Frau erstaunlich gefestigt, und Leo Jogiches war viel eher ein Mensch, der einen großen Teil dieser Ansichten teilte, als jemand, der sie stark beeinflusste. Sie war selbstbewusst und autark und wäre zweifellos ihren Weg auch ohne ihn gegangen. Zugleich aber war sie eben eine lebensfrohe, liebevolle Frau, die zwischen ihrem privaten und dem politischen Leben nie eine strikte Trennlinie gezogen hat, sondern beides als ein Ganzes begreifen und erleben wollte. Es war Leo Jogiches, der diese Trennung wollte. Hätte sie jemanden anders an ihrer Seite gehabt und wäre ihr ein intensiveres Privatleben, wie sie es sich wünschte, möglich gewesen, hätten sich womöglich einige Prioritäten verschoben. Die grundsätzliche Stoßrichtung wäre jedoch ganz sicher gleich geblieben.

Der Roman umfasst die Zeit zwischen 1888 und 1919 und spielt im heutigen Polen, Zürich und Berlin. War es schwierig für Sie, sich in die damalige Zeit und das Leben in so unterschiedlichen Städten hineinzudenken? Woher haben Sie Ihre Informationen darüber bezogen?

Ich habe mich mit der Epoche mein Leben lang intensiv befasst, mich für die Geschichte der Sozialdemokratie und den Weg in die Katastrophen von Weltkriegen und Nationalsozialismus immer interessiert und viele Bücher darüber geschrieben. Da ich kein fantasievoller Autor bin und mir alles, was ich beschreiben will, zumindest einmal angesehen haben muss, recherchiere ich grundsätzlich vor Ort, wobei ich in Berlin aufgewachsen bin und Polen gut kenne. Relativ neu war also nur Zürich. Über eine Epoche, einen Ort, eine Gesellschaft, die mich nicht berührt, in die ich mich nicht hineindenken kann, würde ich kein Buch schreiben wollen. Das können dann andere, denen das Thema nahe ist, besser.

Sie empfehlen als zusätzliche Lektüre die Biografie über Rosa Luxemburg von Ernst Piper. Warum sollte man diese lesen? Was unterscheidet Ihren biografischen Roman von der Biografie?

Mein Roman ist eine Liebesgeschichte. Natürlich habe ich alle mir mögliche Sorgfalt aufgewendet, um die historischen und politischen Hintergründe gründlich zu recherchieren, aber als Romanautorin sehe ich meine Aufgabe vor allem darin, eine Geschichte zu erzählen. Diese muss als Geschichte funktionieren, sie muss unterhalten, und die Dramaturgie der Erzählung ist immer die Königin – Fakten, Daten, Ereignisse, das alles muss sich unterordnen. Wenn ich meine Sache gut gemacht habe, gelingt es vielleicht, ein paar Menschen auf ein Thema aufmerksam zu machen – aber über dieses Thema Wissen zu vermitteln, ist nicht Sache der Romanautorin, sondern des Biographen. Ernst Pipers Standardwerk ist umfassend, gut geschrieben und zugänglich. Wer also mehr wissen will, ist bei ihm an der richtigen Adresse.

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  • Neuentdeckung: Das ist Alise von Jon Fosse

    Unsere Neuentdeckung:

    Das ist Alise von Jon Fosse

    Seit Jon Fosse 2023 den Literaturnobelpreis verliehen bekam, steht er bei Lesenden und Medien im Fokus. Der 1959 geborene Norweger war bisher, trotz zahlreicher Romane, vor allem als Dramatiker bekannt. Sein literarisches Werk zeichnet sich durch einen ungewöhnlichen Sprachstil sowie die Beschäftigung mit großen menschlichen Themen aus.

    Zum Einstieg in Fosses Werk bietet sich seine 2003 veröffentlichte Novelle an. Auf nur 120 Seiten finden sich dort der Stil und die existentiellen Fragen des Menschseins, für die Fosse bekannt ist.

    Wir stellen den Roman und den Autor vor, inklusive passender Diskussionsfragen.

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  • Besonderer Buchtipp: Apeirogon von Colum McCann

    Besonderer Buchtipp:

    Apeirogon von Colum McCann

    Rami und Bassam sind Freunde und wohnen im selben Land nah beieinander. Und doch leben sie in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Denn das Land ist Israel und Rami ist Jude, Bassam Palästinenser. Was sie verbindet, ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann – beide haben ein Kind bei einer Gewalttat verloren.

    Dennoch fordern sie keine Rache, sondern halten gemeinsam Vorträge darüber, dass nur Kommunikation und ein Verständnis für den anderen zu einem Frieden im Nahen Osten führen können.

    Das Buch erschien bereits 2020 und ist doch aktueller denn je.

    Wir stellen den Roman und den Autor ausführlich vor. Zusätzlich gibt es passende Diskussionsfragen für eine Besprechung im Lesekreis.

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  • Unser Thema des Monats: Das Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhandlungen

    Unser Thema des Monats:

    22 Bahnen von Caroline Wahl ist Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhandlungen

    Seit 2015 küren die unabhängigen Buchhandlungen ihr Lieblingsbuch.

    Die Nominierten für 2023 waren:

    Elena Fischer: „Paradise Garden“
    Milena Michiko Flašar: „Oben Erde, unten Himmel“
    Rónán Hession: „Leonard und Paul“
    Jarka Kubsova: „Marschlande“
    *Caroline Wahl: „22 Bahnen“ (Lieblingsbuch)

    Wir haben alle bisherigen Gewinner und die 5 Romane der Shortlist zusammengestellt – insgesamt 45 Buchtipps! Und zu vielen davon gibt es bereits Diskussionsfragen.

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