Neuentdeckung: Der Platz von Annie Ernaux
Entdeckung des Monats:
Der Platz von Annie Ernaux
Detailliert widmet sich Ernaux in diesem, nur 100 Seiten kurzen, Buch dem Leben ihres Vaters und damit auch ihrer Familie.
Es ist das erste rein autobiografische Werk von Ernaux, die 2022 den Literaturnobelpreis erhielt. Dadurch eignet es sich gut als Einstieg in ihr Werk.
Wir stellen den Roman und die Autorin ausführlich vor und haben Diskussionsfragen für Lesekreise zusammengestellt.
Besonderer Buchtipp: Eine moderne Familie von Helga Flatland
Besonderer Buchtipp:
Eine moderne Familie von Helga Flatland
Eine ganz normale norwegische Familie: Mutter, Vater und die drei erwachsenen Kinder Liv, Ellen und Håkon. Man trifft sich, feiert und verbringt gemeinsam Zeit in der Familien-Hütte in den Bergen.
Und dann das: Am siebzigsten Geburtstag von Papa verkünden die Eltern, dass sie sich scheiden lassen wollen. Plötzlich ist nichts mehr, wie es war und die Familienidylle bricht zusammen. Auch das Leben der Kinder gerät in aus den Fugen. Erzählt wird abwechselnd aus Sicht der Kinder, wodurch interessante Perspektiven entstehen.
Wir stellen den Roman und die Autorin ausführlich vor. Zusätzlich gibt es passende Diskussionsfragen für eine Besprechung im Lesekreis.
Aktuelle Literaturverfilmungen
Literaturverfilmungen – Vorschau:
Oppenheimer (seit 20. Juli 2023)
Jeder schreibt für sich allein (seit 24. August 2023)
Das Zen-Tagebuch (ab 31. August 2023)
Die Mittagsfrau (ab 28. September 2023)
Unser Thema des Monats: Das Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhandlungen
Unser Thema des Monats:
Das Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhandlungen
Seit 2015 küren die unabhängigen Buchhandlungen ihr Lieblingsbuch. Dafür nominieren die Buchhändler*innen ihren Lieblingsroman aus dem laufenden Jahr und stimmen dann ab, welcher ihr Lieblingstitel ist.
Wir haben alle bisherigen Gewinner und die 5 Romane der Shortlist zusammengestellt – insgesamt 40 Buchtipps! Und zu vielen davon gibt es Diskussionsfragen.
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Die Geschichte einer heimlichen Heldin
Wie kann es sein, dass Mütter im Nachkriegsdeutschland aus Not ihre Babys aussetzen? Die Hebamme Henni hat die Idee zu einer Babyklappe. Ein vergessenes Kapitel deutscher Geschichte berührend erzählt.
FOLGEN SIE dem Droemer Verlag
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Kerstin Hämke, Gründerin von Mein-Literaturkreis.de, zeigt, warum das gemeinsame Lesen so viel Spaß macht und gibt viele praktische Tipps. Zusätzlich: 50 Buchtipps, die sich besonders für eine Diskussion eignen.
FOLGEN SIE KIWI
5 Fragen an Michaela Küpper zu ‚Die Edelweisspiratin‘
Ausführliche Informationen zum historischen Roman ‚Die Edelweisspiratin‘ von Michaela Küpper, inklusive Diskussionsfragen finden sich hier.
Wie haben Sie von den beiden Frauen, ihrem Leben und ihren politischen Aktivitäten erfahren?
In meinen beiden letzten Romanen hatte ich mich ja schon mit den Auswirkungen des Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg befasst.
Während der Recherchen stoße ich eigentlich immer schon auf weiterführende Themen, die ich gern aufgreifen würde. Dazu zählte auch der Widerstand. Diese Idee hatte ich also schon länger, aber es brauchte seine Zeit und auch Erfahrung, bis ich mich an das Thema herangetraut habe. Es war mir in gewisser Weise zu einfach, mich auf die Seite der „Guten“ zu stellen, man riskiert ja nichts mehr. Aber es sollte eben keine eindimensionale Geschichte werden und keine, die man schon kennt, wie etwa die der „Weißen Rose.“
So bin ich auf die Edelweißpiraten gestoßen. Weil ich aus der Region komme, war das für mich naheliegend, außerdem fand ich besonders interessant, dass diese Bewegung aus dem Arbeitermilieu stammte. Der Widerstand kam ansonsten ja eher aus intellektuellen Kreisen.
Was hat Sie an den Personen und der Zeit so fasziniert, dass Sie dies zu dem Thema eines Romans gemacht haben?
Die Geschichte der Gertrud ‚Mucki’ Kühlem ist für sich genommen schon faszinierend, aber der besondere Reiz lag für mich auch in ihrer Familiengeschichte: Der Vater Arbeiter und Kommunist, die Mutter Apothekerin – das war schon ziemlich ungewöhnlich.
Da ich gerne aus unterschiedlichen Perspektiven schreibe, drängte sich mir hier diese Erzählweise geradezu auf. Sowohl Mucki als auch ihre Mutter Gertrud waren ja zwei sehr starke Frauen, die im Grunde dieselben Ziele verfolgten, aber teilweise andere Mittel wählten. Es war spannend, das Geschehen einmal aus Muckis Jugendperspektive heraus zu erzählen und einmal aus der einer reiferen Frau, die anders aufs Leben blickt.
Welche der Personen im Roman würden Sie gerne einmal persönlich getroffen haben und was würden Sie sie fragen?
Oh, eigentlich alle! Natürlich wäre ich gern Mucki Koch noch persönlich begegnet, aber leider habe ich erst nach ihrem Tod mit der Recherche angefangen. Ganz besonders würde mich auch eine Begegnung mit ihrer Mutter Gertrud reizen. Über sie ist ja nicht viel bekannt, und ich hätte sicherlich eine Menge Fragen an sie. Es fiel mir nicht immer leicht, ihre Entscheidungen nachzuvollziehen.
Spannend finde ich außerdem gerade die ambivalenten Figuren wie Elke und ihr SS-Freund. Das hat es ja gegeben: SS-Leute, die geholfen haben, normale Bürger, die Zwangsarbeitern heimlich Essen gebracht haben usw.. Was haben die eigentlich gedacht? Wie haben die sich ihr Handeln vor sich selbst erklärt?
Der Roman umfasst 3 Teile, die unterschiedliche Zeiträume umfassen. Warum haben Sie diese zeitliche Aufteilung gewählt? Wie kommt es zu der Lücke von 1934 bis 1939?
Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 war nicht nur ein radikaler Einschnitt im Leben der Familie Kühlem, sondern aller Deutschen. Sofort danach und gerade in der ersten Zeit wurden Andersdenkende brutal und systematisch ausgeschaltet. Selbst vor Morden schreckte man nicht zurück. Das war auch ein starkes Signal an die restliche Bevölkerung.
Mucki Koch hat als kleines Kind im Elternhaus die unmittelbaren Folgen des Umbruchs hautnah erlebt. Diese Erlebnisse haben sie für ihr Leben geprägt, auch und gerade in ihrer politischen Einstellung und in dem, was sie unter „Widerstand“ verstanden hat. Daher war es mir wichtig, diese Anfangszeit zu schildern.
Darüber hinaus wurde ja auch das Familienleben komplett aus den Angeln gehoben – die Verhaftungen des Vaters, die plötzlich einsetzenden materiellen Nöte. Ein weiterer Schritt in Muckis Entwicklung erfolgte dann bei Kriegsbeginn. Der Krieg hob das Ganze ja noch einmal in eine neue Dimension. Jenseits aller Euphorie, die wir heute nur schwer nachvollziehen können, gab es damals auch viel Angst – berechtigterweise, wie wir heute wissen. Zeitgleich erreichte Mucki das Teenageralter und damit verfestigten sich ihre Positionen.
Ihr Freundeskreis bestand aus unangepassten Jugendlichen, die ähnlich dachten wie sie. Man gab sich Halt untereinander. Aus diesen lockeren Zusammenschlüssen formierte sich dann auch die Gruppe der Edelweißpiraten, der Mucki angehörte.
Wie muss man sich Ihre Recherche zu den Frauen und der damaligen Zeit vorstellen?
Zum einen hat Mucki Koch ja ihre Erlebnisse noch selbst auf diversen Kanälen geschildert. Was über ihre Mutter bekannt ist, weiß ich beispielsweise nur aus ihren Erzählungen.
Zum anderen gibt es natürlich einiges an wissenschaftlichem Material zu den Edelweißpiraten. Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln hat hier ganz hervorragende Arbeit geleistet. Die Schriften und Sammlungen zum Thema waren wirklich ein unschätzbarer Quell.
Ein Manko ist allerdings, dass diese Forschung – und das Interesse an den Edelweißpiraten generell – leider sehr spät einsetzte. Letztendlich ist dies auch eine Folge des jahrzehntelangen Verdrängungsprozesses, der in Deutschland herrschte. Man wollte sich mit diesen Dingen einfach nicht befassen.
Aber um auf die Frage zurückzukommen: Die Ereignisse, die sich in Köln abspielten, wie beispielsweise der Winterberg-Spangenberg-Prozess, sind ja bekannt. Auch die Geschehnisse in den sogenannten Emslandlagern. In einem von ihnen kam Peter Kühlem ja später nachweislich zu Tode. Ich habe für mich eine Chronologie der Ereignisse erarbeitet und diese beim Schreiben zugrunde gelegt.
Ferner habe ich auf Erfahrungsberichte anderer Frauen, die Verfolgungen ausgesetzt waren, respektive Kommunistinnen, zurückgegriffen. Wichtig war mir vor allem aber auch das Alltagsleben in dieser Zeit, das mir in der bisherigen Aufarbeitung immer viel zu kurz kam. Auch hierzu gibt es aber dankenswerterweise Quellen, die die Erzählungen von Frauen verschriftet und wissenschaftlich eingeordnet haben. Gerade diese Schilderungen der kleinen Freuden und großen Sorgen waren für meine Arbeit sehr wertvoll.
Schön ist übrigens immer, wenn man im Nachhinein noch auf Erzählungen von Erlebnissen stößt, die dem, was man selbst geschrieben hat, sehr nahekommen. Dann weiß man, dass man richtig gelegen hat.