Neuentdeckung: Wie ein Stern in mondloser Nacht von Marie Sand
Entdeckung des Monats:
Wie ein Stern in mondloser Nacht von Marie Sand
Wie kann es sein, dass Mütter im Nachkriegsdeutschland aus Not ihre Babys aussetzen? Die Hebamme Henni hat die Idee zu einer Babyklappe. Ein vergessenes Kapitel deutscher Geschichte berührend erzählt.
Marie Sand stellt auch in ihrem zweiten Roman die Geschichte einer heimlichen Heldin in den Mittelpunkt.
Wir stellen den Roman und die Autorin ausführlich vor und haben Diskussionsfragen für Lesekreise zusammengestellt.
Besonderer Buchtipp: Eine moderne Familie von Helga Flatland
Besonderer Buchtipp:
Eine moderne Familie von Helga Flatland
Eine ganz normale norwegische Familie: Mutter, Vater und die drei erwachsenen Kinder Liv, Ellen und Håkon. Man trifft sich, feiert und verbringt gemeinsam Zeit in der Familien-Hütte in den Bergen.
Und dann das: Am siebzigsten Geburtstag von Papa verkünden die Eltern, dass sie sich scheiden lassen wollen. Plötzlich ist nichts mehr, wie es war und die Familienidylle bricht zusammen. Auch das Leben der Kinder gerät in aus den Fugen. Erzählt wird abwechselnd aus Sicht der Kinder, wodurch interessante Perspektiven entstehen.
Wir stellen den Roman und die Autorin ausführlich vor. Zusätzlich gibt es passende Diskussionsfragen für eine Besprechung im Lesekreis.
Aktuelle Literaturverfilmungen
Literaturverfilmungen – Vorschau:
Oppenheimer (seit 20. Juli 2023)
Jeder schreibt für sich allein (seit 24. August 2023)
Das Zen-Tagebuch (ab 31. August 2023)
Die Mittagsfrau (ab 28. September 2023)
Unser Thema des Monats: Das Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhandlungen
Unser Thema des Monats:
5 Bücher für das Lieblingsbuch der Unabhängigen Buchhandlungen nominiert
Seit 2015 küren die unabhängigen Buchhandlungen ihr Lieblingsbuch.
Die Nominierten für 2023 sind:
Elena Fischer: „Paradise Garden“
Milena Michiko Flašar: „Oben Erde, unten Himmel“
Rónán Hession: „Leonard und Paul“
Jarka Kubsova: „Marschlande“
Caroline Wahl: „22 Bahnen“Wir haben alle bisherigen Gewinner und die 5 Romane der Shortlist zusammengestellt – insgesamt 45 Buchtipps! Und zu vielen davon gibt es bereits Diskussionsfragen.
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Von der Autorin von 'Die Liebe im Ernstfall'
Rahel und Peter sind seit fast 30 Jahren verheiratet. Doch die Liebe hat sich aus ihrer Ehe verabschiedet. Ein Urlaub soll klären, wie und mit wem sie ihr zukünftiges Leben verbringen wollen.
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Kerstin Hämke, Gründerin von Mein-Literaturkreis.de, zeigt, warum das gemeinsame Lesen so viel Spaß macht und gibt viele praktische Tipps. Zusätzlich: 50 Buchtipps, die sich besonders für eine Diskussion eignen.
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Deutsche Literatur des Mittelalters: Was ist das überhaupt?
1000 Jahre Literaturgeschichte im Schnelldurchlauf
Das Mittelalter als Epoche dauerte von 500 bis 1500 nach Christus. In diesen 1000 Jahren entstanden ganz und gar unterschiedliche Texte: Bibel- und Legendendichtung, Wissenschaftsliteratur, Rechtstexte, Romane, Lieder, Kochbücher, Heldenepen, Lehrgedichte, Fastnachts- und Passionsspiele und vieles mehr. Daher ist es schwierig, einen umfassenden Überblick über die mittelalterliche Literatur im deutschen Sprachgebiet zu geben, ohne dabei dramatisch zu kürzen, zu generalisieren und auch Wichtiges auszulassen.
Ein großes Problem besteht bei allen Überblicksdarstellungen darin, dass wir nur das nachvollziehen können, was heute noch überliefert ist. Welche ungeahnten Schätze wir „verpassen“, weil die entsprechenden Handschriften verloren gegangen sind, können wir nicht im Ansatz erahnen.
Hören statt Lesen
Gerade zu Beginn des Mittelalters wurde lediglich in Klöstern die Kunst des Lesens und Schreibens gepflegt. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung konnte nicht lesen – auch nicht die Adligen. Im Alltag sprachen die Menschen die Volkssprache: zwischen 750 und 1050 war das Althochdeutsch, anschließend Mittelhochdeutsch und ab 1350 Frühneuhochdeutsch.
Das hatte Konsequenzen für den Literaturbetrieb im Mittelalter: So gab es eine ausgeprägte mündliche Erzähltradition; Sagen und Mythen wurden von fahrenden Sängern immer wieder neu erzählt und dabei leicht variiert. Dadurch entstand ein Geflecht aus Erzählsträngen, das sich über den ganzen europäischen Kontinent erstreckte. Zum Beispiel gibt es auch in Skandinavien viele Fragmente und Parallelfassungen der Siegfriedsage.
Noch bis ins 14. Jahrhundert hinein wurden Dichtungen hauptsächlich an den Adelshöfen vorgetragen – bei prachtvollen Festen ebenso wie zur Abendunterhaltung kleinerer Gesellschaften. Dadurch bekam das Publikum meist nur einen Ausschnitt eines Romans oder eines Heldenepos mit. Das Hörerlebnis muss sich also stark vom heutigen Lesegenuss unterschieden haben. Doch was wurde wann von wem geschrieben? Und wer interessierte sich für Literatur?
Althochdeutsche Literatur (750-1050)
Gegen Ende des 8. Jahrhunderts, also etwa zur Zeit Karls des Großen, entstanden erste „deutsche“ Texte. Der Begriff des „Deutschen“ ist dabei allerdings mit Vorsicht zu gebrauchen: Wir nennen diese Sprachstufe zwar „Althochdeutsch“, doch die einzelnen Dialekte (Bairisch, Fränkisch, Alemannisch, Sächsisch und Friesisch) unterschieden sich so stark voneinander, dass sich die Sprecher untereinander nicht verstehen konnten. Die Dichtung aus dem 8. und 9. Jahrhundert besteht mit ganz wenigen Ausnahmen aus Übersetzungen von lateinischen Texten in den jeweiligen althochdeutschen Dialekt. Es handelt sich fast ausschließlich um geistliche und Fachtexte.
Frühmittelhochdeutsche Literatur (1050-1150)
Im 9. Jahrhundert brach die deutsche Literaturtradition plötzlich ab (oder sind nur keinerlei Handschriften aus dieser Zeit überliefert?). Es folgten rund 150 Jahre, aus denen uns keine deutschsprachigen Texte bekannt sind. Erst um 1050 setzte die deutsche Dichtung wieder ein – und sie hatte sich deutlich gewandelt. Zwar kennen wir aus dieser Zeit fast nur geistliche Texte, doch sie richten sich nunmehr auch an Laien. Die Dialekte des Althochdeutschen hatten sich inzwischen zu einer einheitlicheren Sprache, dem Mittelhochdeutschen, weiterentwickelt.
Höfische mittelhochdeutsche Literatur (1150-1230)
Als Blütezeit der mittelalterlichen Literatur gelten die Jahre von 1170 bis 1230, weil zu dieser Zeit gleich mehrere herausragende Dichter lebten und wirkten. Die bedeutendsten Werke wurden fast alle in diesen 60 Jahren verfasst: das „Nibelungenlied“, der „Parzival“, die Lieder Walthers von der Vogelweide, „Tristan und Isolde“.
Romane und Heldenepen
Im 12. Jahrhundert entstanden immer mehr Residenzen, in denen sich Adlige mit ihrem Hofstaat niederließen. Dadurch wurde die höfische Etikette wichtig: Wie sollte man sich richtig verhalten – beim Essen, beim Kämpfen, im Umgang mit dem anderen Geschlecht? Was sollte man anziehen? Die „höfische Literatur“, die ab etwa 1170 in Deutschland entstand, griff diese Fragen auf.
Es entstand eine Vielzahl von Romanen, die auf französischen oder lateinischen Vorlagen beruhten und die mit vielen „höfischen Versatzstücken“ (Schilderungen von vorbildlichen Festen, Burgen, Kleidern, Turnieren, Konversationen u. v. m.) ausgeschmückt wurden. Diese Art von Dichtung entstand im Auftrag reicher Mäzene und richtete sich ausschließlich an Adlige. Deshalb spielen Bauern oder Bürger keine nennenswerte Rolle in den Dichtungen des Hochmittelalters. Besonders die Sagenkreise um König Artus, den Trojanischen Krieg, Alexander den Großen, den Heiligen Gral und ganz generell das Thema Liebe sind beliebte Romanstoffe, die bis ins 13. Jahrhundert sehr oft behandelt wurden.
Minnesang und Sangspruchdichtung
Außerdem wurde der Minnesang zunehmend beliebter. Die Minnelyriker waren meist Adlige, die als Dilettanten auftraten. Doch es gab auch Berufsdichter – wie (höchstwahrscheinlich) Walther von der Vogelweide –, die ganz außerordentliche Minnelieder verfassten. Besonders bekannt sind Liebeslieder zum Thema „Hohe Minne“: Analog zum Lehensdienst muss der männliche Liebende um seine Geliebte werben, also Minnedienst leisten. Aber seine Mühen sind vergeblich. Sie lehnt seine Avancen ab. Er leidet sehr darunter. Doch aus dem Kummer entsteht auch Schönes, nämlich der Minnesang. Wenn dieser in der Öffentlichkeit vorgetragen wurde, erhöhte sich das Ansehen des Werbenden. Nun darf man keineswegs dieses sehr künstliche Minne-Ideal mit der Wirklichkeit verwechseln: Der Minnesang war Kunst und damit fiktiv – und das wussten sowohl der Dichter als auch sein Publikum. Doch es gab auch Liebeslieder mit „Happy End“ – und vieles dazwischen.
Spätmittelhochdeutsche Dichtung (1350-1500)
Um 1350 gab es eine Zäsur in der Literatur, deren Ursachen bislang nicht ganz geklärt sind: Die Liedüberlieferung brach plötzlich ab. Beliebte Romanthemen wie der Artusroman hatten sich offenbar überlebt und machten einer weitaus größeren Vielfalt Platz. Auch die Versform kam außer Mode. Stattdessen entstanden Prosaromane, die kürzer, geradliniger und (der Name sagt es bereits) prosaischer sind, als es die ausschweifend-kunstvollen früheren Versromane waren. Die Anzahl an belehrend-moralischen und mystischen Texten nahm stark zu, ebenso wie die Sachliteratur.
Die Städte entwickelten sich nach und nach zu literarischen Zentren, dadurch wurde der Kreis an Dichtern großer und vielfältiger. Auch Juristen, Kaufleute und sogar Handwerker betätigten sich als Literaten. Der Buchdruck veränderte das Buchwesen schließlich enorm und eröffnete für eine deutlich größere Anzahl an Menschen die Möglichkeit, Literatur direkt zu konsumieren. Doch bis zu einer Gesellschaft, in der praktisch jeder lesen kann und jährlich rund 90.000 neue Bücher auf den Markt kommen, war es noch ein weiter Weg.
Über Kristina Folz
Kristina Folz studierte an der Universität Heidelberg Germanistik, Politikwissenschaft und europäische Kunstgeschichte auf Magister. Währenddessen arbeitete sie als Mittelhoch-deutsch-Tutorin und spezialisierte sich auf mittelalterliche Literatur. Dem aktuellen Zeitgeschehen widmete sie sich unter anderem als freie Mitarbeiterin zweier Tageszeitungen. Nach ihrem Studium absolvierte sie ein Volontariat in einem kleinen Fachbuchverlag. Seit 2015 betreibt sie freiberuflich das Lektorats- und Redaktionsbüro „Perflekt“. Nebenbei ist sie als Autorin von Büchern und Lehrmaterialien sowie als vhs-Kursleiterin tätig.
Das Thema ‚Mittelalterliche Literatur‘ interessiert Sie? Wir haben ein ausführliches Special zum Thema zusammengestellt, mit Hintergrundinfos, Interviews und – natürlich – vielen Buchtipps! » zu unserem Special ‘Mittelalterliche Literatur’
Fotoquellen:
Codex Abrogans: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 911: Abrogans – Vocabularius (Keronis) et Alia (http://www.e-codices.unifr.ch/en/list/one/csg/0911).
Siegfried, der Drachenbezwinger: Dieter Schütz / pixelio.de
Walther von der Vogelweide: rook76/fotalia