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Ikarien

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Persönliche Bewertung:
3,5/5 (8)

Eignung für Lesekreise:
0/5


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Ikarien

Unsere Neuentdeckung des Monats März 2018!

Deutschland Ende April 1945: Während regional noch der Krieg tobt, bricht der junge amerikanische Offizier Michael Hansen von Frankreich nach Bayern auf und bezieht Quartier am Ammersee. In einem Münchner Antiquariat findet er einen früheren Weggefährten des Eugenikers Alfred Ploetz, den Dissidenten Wagner. Von ihm lässt er sich die Geschichte einer Freundschaft erzählen, die Ende des 19. Jahrhunderts in Breslau begann und die beiden Studenten über Zürich bis nach Amerika führte – und mitten hinein in die Auseinandersetzung um die beste gesellschaftliche Ordnung: hier ein Sozialismus nach Marx, dort das utopische Projekt der Gemeinde Ikarien, die vom französischen Revolutionär Étienne Cabet in Amerika gegründet wurde. Hansen kommt durch die Lebensbeichte Wagners dem faustischen Pakt auf die Spur, den der Rassenhygieniker Ploetz mit den Nazis einging, und dem ganz anderen Schicksal, das den Antiquar wegen seiner widerständigen Haltung ereilte. Seine Reise durch das materiell und moralisch zerstörte Land lässt Hansen Zeuge eines Aufbruchs werden, der die deutsche Geschichte prägen sollte. Zugleich wird sie zu einer éducation sentimentale – auch in der Liebe werden ihm einige Lektionen erteilt. Eine faszinierende Zeitreise durch die deutsche Geschichte und eine ganz eigene und überraschende Darstellung der »Stunde Null«.

Pressestimmen

»Bildstark und genau schildert Uwe Timm in seinem neuen Roman Ikarien erste Eindrücke vom zerstörten Deutschland. […] Mit Ikarien schlägt Timm den Bogen zu einem seiner besten Bücher, zu der autobiografischen Erzählung Am Beispiel meines Bruders.« Claudia Voigt, Literatur Spiegel

» Ikarien ist eine vielschichtige Utopiestudie, ein historischer Münchenroman und ein Dokument über die Abgründe der Eugenik […].« Nicolas Freund, Süddeutsche Zeitung»Ein Buch, das eine notwendige Ergänzung zu unseren Geschichtsbüchern darstellt. Ein Buch, das genau richtig kommt, genau zum richtigen Zeitpunkt erschienen […]« Denis Scheck, Lesenswert

»Uwe Timm ist einer der großen Erzähler der Gegenwart. […] Die Kenntnis der Weltliteratur wird bei Timm nicht mit prunkenden Zitaten zur Schau gestellt, sondern in kryptischen Anspielungen, versteckten intertextuellen Hinweisen. Zudem ist er ein genauer Analytiker der politischen Verwerfungen im 20. Jahrhundert.« Paul Michael Lützeler, Der Tagesspiegel

»Auf kluge, interessante und spannende Weise hat sich Uwe Timm diesem vielschichtigen Fragenkomplex in Ikarien genährt, gibt Denkanstöße und Einblicke in das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, deren Ursprung und Verlauf nachfolgende Generation wahrscheinlich nie verstehen werden.« Antje Stillger, Bonner Rundschau

»Der Nationalsozialismus und die eigene Herkunft zählen zu den Lebensthemen von Uwe Timm. Auch dieses Mal gelingt es ihm, einen fesselnden Roman daraus zu machen.« Maike Albath, Die Zeit

»Für seinen neuen Roman Ikarien ist Uwe Timm noch einmal in die Vergangenheit gereist, in jenes Schicksalsjahr, das alles auf einen Schlag veränderte: 1945. Das Buch über deutsche Schuld und die Verstrickungen der Wissenschaftler mit dem NS-System, über Rassenwahn und Verblendung hat aber auch etwas Heiteres, Leichtes.« Christian Mayer, Süddeutsche Zeitung

Leseprobe von Ikarien von Uwe Timm

Eine Rezension von Literaturkreismitglied Mechthild V., Duisburg
„Ich halte diesen Roman für ausgesprochen lesenswert, weil er mehrere Aspekte vereint.“

Bewertung des Buches: ✮ ✮ ✮ ✮ ✮
Bewertung der Eignung zur Diskussion in Literaturkreisen: ✮ ✮ ✮ ✮ ✮

Uwe Timm wendet sich in seinem neuen Roman wieder einem historischen Thema von aktueller gesellschaftspolitischer Relevanz zu.

Er beschreibt den intellektuellen Werdegang und wissenschaftlichen Forschungsweg des Eugenikers Alfred Ploetz. Ploetz lebte von 1860 bis 1940. Mit Freunden – unter ihnen Gerhart Hauptmann und dessen Bruder Carl – gründete er einen Verein, mit dem Ziel, ein Gemeinwesen auf freundschaftlicher, sozialistischer Grundlage zu errichten. Vorbild war das utopische Projekt der Gemeinde „Ikarien“, die vom französischen Revolutionär Étienne Cabet in Amerika gegründet worden war. Nach einem Besuch bei dieser Gemeinde in Amerika betrachtete Ploetz dieses Projekt als gescheitert, weil sich die Gleichheit der Mitglieder nicht herstellen ließ. Diese Erkenntnis führte zu einer grundlegenden Änderung seiner wissenschaftlichen Forschung. Fortan befasste er sich mit den Möglichkeiten genetischer Beeinflussung der menschlichen Rasse. Ploetz gilt heute als einer der Begründer der Eugenik und des Begriffs „Rassenhygiene“.

Uwe Timm verknüpft in seinem Roman zwei Erzählstränge: Am Ende des Krieges im Mai 1945 kommt ein amerikanischer Offizier deutscher Herkunft mit einem besonderen Auftrag in das zerstörte München. Sein geheimdienstlicher Auftrag lautet, den ehemaligen Freund von Ploetz zu vernehmen zur Vorbereitung der Nürnberger Prozesse bzw. des schwelenden Kommunismus-Verdachts. So erlebt der Leser zum einen die Trümmerwelt der unmittelbaren Nachkriegszeit, zum anderen taucht er mit diesem amerikanischen Offizier tief in die Vorgeschichte der von den Nazis beschönigend bezeichneten „Euthanasie“, d.h. der systematisch praktizierten Ermordung sogenannten „unwerten Lebens“ ein.

Ich halte diesen Roman für ausgesprochen lesenswert, weil er mehrere Aspekte vereint:
die historische Dimension
Ploetz, ein Wegbereiter der Eugenik
die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaft
die Pervertierung der Idee einer gerechten und gleichen Gesellschaft (wie werden aus Kommunisten Rassisten?)
die Gefahr des Verlustes des Humanen im ungebremsten Forscherdrang
Reproduktionsmedizin, – steuerbare Fortpflanzung (ein hochaktuelles Thema)

Selbstverständlich lässt sich auch über die Konstruktion und formale Gestaltung des Romans diskutieren. Ich halte in diesem Fall die inhaltliche Thematik allerdings für wesentlicher.

Über Uwe Timm

Uwe Timm wurde 1940 in Hamburg geboren. Er war der Nachzügler in der Familie und stand bei seinem autoritären Vater im Schatten des 16 Jahre älteren Bruders Karl-Heinz, der sich freiwillig zur SS-Totenkopfdivision meldete und 1943 in einem Lazarett in der Ukraine starb. In seiner autobiografischen Erzählung „Am Beispiel meines Bruders“ (2003) unternahm Uwe Timm Jahrzehnte später den Versuch einer literarischen Annäherung an Bruder und Vater. Geschichten faszinierten Uwe Timm von klein auf: Er lauschte dem „Seemannsgarn“ seines Großvaters, einem Kapitän, schlich immer wieder zu seiner Tante ins Hafenviertel, in deren Küche sich Leute aus dem Rotlichtmilieu trafen, und schrieb schon als Schuljunge eigene Geschichten. Er machte eine Kürschnerlehre, die Prüfung bestand er mit Auszeichnung. Nach dem Tod des Vaters leitete er 3 Jahre lang das Kürschnergeschäft, machte dann am Braunschweig-Kolleg sein Abitur und studierte in München und Paris Philosophie und Germanistik. Er promovierte mit einer Arbeit über Albert Camus. Anschließend studierte er Soziologie und Volkswirtschaftslehre.

Den Aufbruch Ende der sechziger Jahre erlebte Uwe Timm als Student aktiv mit – und setzte der Studentenrevolte mit seinem ersten Roman „Heißer Sommer“ (1974) ein literarisches Denkmal. In „Der Freund und der Fremde“ (2007) schreibt Uwe Timm über seine Freundschaft zu Benno Ohnesorg, der 1967 auf der Anti-Schah-Demonstration in Berlin erschossen wurde. Uwe Timm gehört zu den wichtigsten Vertretern der 68er-Generation, die Aufarbeitung dieser Zeit zieht sich durch sein gesamtes Werk. In dem Roman „Kerbels Flucht“ (1980) zerbricht ein Münchner Student und Taxifahrer an der Gesellschaft, und in „Rot“ (2001) lässt Uwe Timm 30 Jahre jüngste deutsche Geschichte Revue passieren. Neben der Auseinandersetzung mit der eigenen reizen den Autor auch fremde Kulturen: Seine Recherche- und Entdeckungsreisen führten ihn unter anderem bis nach Namibia, Peru und auf die Osterinseln. So handelt der Roman „Morenga“ (1978) vom Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika im Jahre 1904, „Der Schlangenbaum“ (1986) spielt in Südamerika, und in „Vogel, friß die Feige nicht. Römische Aufzeichnungen“ (1989) dokumentiert Uwe Timm einen zweijährigen Aufenthalt in der Hauptstadt Italiens. Heute lebt er in München und Berlin. Uwe Timm ist dem Besonderen im Alltäglichen auf der Spur. Die Ausgangspunkte für seine Bücher sind real:

Kindheitserinnerungen im „Mann auf dem Hochrad“ (1984) oder in der „Entdeckung der Currywurst“ (1993), eine Geschichte über die Kartoffel in „Johannisnacht“ (1996) oder eben auch allgemein gesellschaftspolitische Betrachtungen wie in „Rot“ oder „Kopfjäger“ (1991). Und doch geht es dem Schriftsteller nie um ein getreues Abbild der Wirklichkeit: „Der Erzähler erzählt nicht nur nach, sondern neu und anders, nämlich wie es sein könnte, er erzählt eine andere Wirklichkeit.“

Der Vater von vier Kindern verfasste auch vier Kinder- und Jugendbücher – „Rennschwein Rudi Rüssel“ (1989), sein bekanntestes, wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und fürs Kino verfilmt – und machte in den letzten Jahren mit der „Bubi Scholz Story“ und „Eine Hand voll Gras“ als Drehbuchautor auf sich aufmerksam.

Webseite des Autors: www.uwe-timm.de

Auszeichnungen

Für seine zahlreichen Romane und Erzählungen erhielt Uwe Timm verschiedene Auszeichnungen und Preise. Hier eine Auswahl:

  • 1990 Deutscher Jugendliteraturpreis für Rennschwein Rudi Rüssel
  • 2001 Tukan-Preis für Rot
  • 2001 Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
  • 2002 Literaturpreis der Landeshauptstadt München
  • 2003 Schubart-Literaturpreis
  • 2003 Erik-Reger-Preis
  • 2006 Jakob-Wassermann-Literaturpreis
  • 2006 Premio Napoli (für Rot)
  • 2009 Heinrich-Böll-Preis
  • 2009 Heinrich-Heine-Gastdozentur
  • 2012 Carl-Zuckmayer-Medaille
  • 2013 Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München

Bücher von Uwe Timm

Lyrik

  • 1971: Widersprüche. Gedichte und ein Essay. Hamburg.
  • 1977: Wolfenbütteler Straße 53.. Zeit-Gedichte. München.

Prosa

  • 1974: Heißer Sommer. Roman.
  • 1978: Morenga. Roman.
  • 1980: Kerbels Flucht. Roman.
  • 1984: Der Mann auf dem Hochrad. Legende.
  • 1984: Kerbels Flucht. Roman.
  • 1986: Der Schlangenbaum. Roman.
  • 1989: Vogel, friss die Feige nicht. Römische Aufzeichnungen.
  • 1991: Kopfjäger. Bericht aus dem Innern des Landes. Roman.
  • 1993: Erzählen und kein Ende. Versuche zu einer Ästhetik des Alltags.
  • 1993: Die Entdeckung der Currywurst. Novelle.
  • 1996: Johannisnacht. Roman.
  • 1999: Nicht morgen, nicht gestern. Erzählungen.
  • 2000: Die Entdeckung der Currywurst. Neuausgabe mit Zeichnungen von Isabel Kreitz.
  • 2001: Rot. Roman.
  • 2003: Am Beispiel meines Bruders. Erzählung.
  • 2005: Der Freund und der Fremde. Erzählung.
  • 2008: Halbschatten. Roman über Marga von Etzdorf.
  • 2009: Von Anfang und Ende. Über die Lesbarkeit der Welt. Frankfurter Poetikvorlesung.
  • 2011: Freitisch. Novelle.
  • 2013: Vogelweide. Roman.
  • 2017: Ikarien. Roman.

Kinder- und Jugendbücher

  • 1981: Die Zugmaus. Kinderbuch mit Zeichnungen von Tatjana Hauptmann.
  • 1983: Die Piratenamsel. Kinderbuch mit Zeichnungen von Gunnar Matysiak.
  • 1989: Rennschwein Rudi Rüssel. Kinderbuch mit Zeichnungen von Gunnar Matysiak.
  • 1995: Der Schatz auf Pagensand. Jugendbuch.
  • 2003: Die Zugmaus. Kinderbuch.

Bücher über Uwe Timm

  • Martin Hielscher: Uwe Timm (2007)
  • Martin Hielscher: Uwe Timm Lesebuch. Erzählungen, Essays, Gedichte, Reiseberichte & Reden (2005)

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